Zu sehen ist ein Blick auf das Podium des Herbstgespräches mit den Diskussionsteilnehmern Dr. Andreas Fahrner (BND), Florian Flade (Journalist), Tom Buschardt (Kommunikationstrainer) und dem Moderator Thomas Kreutzmann (Journalist). Am rechten Bildrand ist zudem ein Monitor zu sehen auf dem der Titel des Herbstgesprächs "Angriff auf die Wahrheit - Wie Desinformation unsere freiheitliche Demokratie" gezeigt wird.

LfV Hessen sensibilisiert mit Herbstgespräch für Gefahren durch Desinformation

Das 23. Herbstgespräch des LfV Hessen im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport widmete sich am 29. November 2022 dem Thema „Angriff auf die Wahrheit - Wie Desinformation unsere freiheitliche Demokratie gefährdet“.

Lesedauer:7 Minuten

Die Verbreitung von Desinformation hat in der Zeit der COVID-19-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht: Verfassungsfeinde streuten gezielt Falschmeldungen, um ein Klima des Widerstands gegen Staat und Demokratie zu befördern. Russische und prorussische Akteure bedienten sich der Desinformation, um zum Beispiel das Bild einer „Russophobie“ in Deutschland zu zeichnen, sich zu Opfern zu stilisieren und den russischen Angriffskrieg zu rechtfertigen. Das Internet mit seinen Verbreitungsmöglichkeiten bietet politisch motivierten Einzelpersonen und Gruppierungen einen beinahe grenzenlos erscheinenden Resonanzraum für ihre oft emotional aufgeladenen „Fake News“.

Wie groß ist die Gefahr, die von Desinformation für unsere freiheitliche Demokratie ausgeht? Welchen Strategien folgen inländische Extremisten und ausländische Akteure bei der Verbreitung von Falschmeldungen und Verschwörungsnarrativen? Wie lässt sich die Resilienz gegen Desinformation stärken? Um diese und andere Fragen drehte sich das 23.  Herbstgespräch des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hessen am 29. November 2022. Unter der Moderation von Thomas Kreutzmann (Journalist, Autor) brachten Dr. Andreas Fahrner (Bereichsleiter Auswertung, Bundesnachrichtendienst), Julia Smirnova (Analystin, Institute for Strategic Dialogue), Florian Flade (Journalist, WDR) und Tom Buschardt (Kommunikations- und Medientrainer) als Podiumsgäste ihre jeweiligen Perspektiven auf das Thema ein.

Angriffe auf die Wahrheit

Das Herbstgespräch fand wegen der weiterhin pandemischen Lage auch bei seiner 23. Auflage noch nicht im gewohnt großen Rahmen, sondern mit nur etwa 100 Präsenzgästen statt. Wer keinen Platz mehr im Saal erhielt, hatte die Möglichkeit, den Live-Stream der Veranstaltung zu verfolgen. Hessens Innenminister Peter Beuth warnte in seinem Eingangsimpuls vor den Gefahren der Desinformation: „Fake-News, Falschmeldungen, Deep-Fakes, Verschwörungserzählungen und Desinformation sind die Schlagworte, hinter denen sich ,Angriffe auf die Wahrheit‘ verbergen. Diese Angriffe zielen auf unsere Werte und damit auf unsere Demokratie.“

Stabile freiheitliche Demokratien hätten eine große Strahlkraft und würden von autokratischen Staaten wie Russland und China als Bedrohung wahrgenommen, sagte Innenminister Beuth. Grundprinzipien wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stellten autoritäre Regime infrage. Daher sei Autokraten daran gelegen, Demokratien als zerstritten, heuchlerisch und schwach darzustellen.

Desinformationsakteure aus dem In- und Ausland

Bei ihren Aktivitäten könnten Desinformationsakteure im Ausland auch auf Unterstützung hierzulande bauen. „Rechtsextremisten, Reichsbürger und Personen, die den Staat zu delegitimieren versuchen, geht es bei ihrer Mobilisierung insbesondere um die Gegnerschaft zur verfassungsmäßigen Ordnung. Jedes Thema, das ihnen dabei nützlich erscheint, greifen sie auf“, sagte Innenminister Beuth. Wegen des sinkenden Interesses am Thema „Corona-Schutzmaßnahmen“ hätten nicht wenige Extremisten einen thematischen Schwenk hin zu pro-russischen Standpunkten vollzogen; daher könnten sie im Hinblick auf Desinformation auch nicht getrennt von Akteuren aus dem Ausland betrachtet werden.

Zu sehen ist der hessische Innenminister Peter Beuth bei seiner Begrüßungsrede auf dem 23. Herbstgespräch. Beuth steht hinter einem Rednerpult. Hinter ihm sind ein Roll-Up und eine Medienwand jeweils mit der Aufschrift "Landesamt für Verfassungsschutz Hessen" zu sehen.

Hessisches Präventionsnetzwerk

Beuth verwies auch auf den Zusammenhang zwischen „Fake News“ und Verschwörungsnarrativen, die in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen hätten. Verschwörungsnarrative könnten Menschen, die an sie glauben, zur Rechtfertigung schwerer Straftaten bis hin zu Gewalttaten dienen. „Wir können sie deshalb nicht als wirres Zeug abtun, sondern müssen uns leider intensiver damit auseinandersetzen. Denn diese Lügengeschichten entfalten reale Wirkung und schaden unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt und unserer Demokratie“, so Innenminister Beuth.

Auch um dagegen vorzugehen, sei in Hessen im Frühjahr ein Präventionsnetzwerk gegen Verschwörungserzählungen gegründet worden. Ziel des Netzwerks sei es, Verschwörungsnarrative, Kriegspropaganda und „Fake News“ mit Fakten zu entlarven und mit Aufklärung und Beratung einzudämmen. Ein zentraler Baustein des Präventionsnetzwerks wird laut Innenminister Beuth das neue Internet-Portal „Der Fabulant“ sein. Ziel des Portals ist es, Verschwörungserzählungen auf eine eingängige und nachvollziehbare Art zu entzaubern, um ihnen so ihre Wirkkraft zu nehmen.

Demokratie als kritische Infrastruktur

Durch die Podiumsdiskussion im Anschluss an den Ministerimpuls zogen sich dann - wie ein roter Faden - beispielhafte Screenshots von Fake-Seiten bzw. Falschmeldungen aus dem Internet, etwa eine täuschend echt wirkende, aber nachgebaute Internetseite der FAZ. Julia Smirnova vom Institute for Strategic Dialogue in London erläuterte die Beispiele und ihre Verbreitung über Chatgruppen und Social-Media-Kanäle.

Einigkeit herrschte darüber, dass eine möglichst große Medienkompetenz der Bevölkerung ein wichtiger Schlüssel im Kampf gegen Desinformation ist. Kommunikationsberater Tom Buschardt betonte, dass „Fake News“ häufig erst durch Personen ohne hinreichende Medienkompetenz „Metastasen“ bekämen und unkontrolliert weiterverbreitet würden.

Der WDR-Journalist Florian Flade merkte an, dass russische Desinformationskampagnen häufig nicht überzeugen, sondern verwirren sollen. Julia Smirnova ergänzte in diesem Zusammenhang, dass die russische Propaganda voller Widersprüche sei - so bewerbe man in Russland die Impfkampagne gegen das Corona-Virus (und insbesondere die russischen Impfstoffe), während man im Ausland Impfskeptiker unterstütze.

BND-Auswertungsleiter Dr. Andreas Fahrner führte aus, dass das Ziel der Propaganda- und Desinformationskampagnen autokratischer Staaten die Delegitimierung demokratischer Wahlen und letztlich die Beschädigung demokratische Systeme sei. In diesem Zusammenhang sprach Florian Flade von der „kritischen Infrastruktur Demokratie“, die man ebenso gegen Angriffe schützen müsse wie andere kritische Infrastrukturen.

Zu sehen ist ein Gruppenbild mit den Teilnehmern der Podiumsdiskussion, Thomas Kreutzmann, Florian Flade, Dr. Andreas Fahrner und Tom Buschardt, sowie dem kommissarischen Behödernleiter des LfV Hessen und dem hessischen Innenminister Peter Beuth. Nicht im Bild zu sehen ist die Podiumsteilnehmerin Julia Smirnova.

Wirtschaftsschutz des LfV als Ansprechpartner

Das LfV Hessen sensibilisiert abseits des Herbstgesprächs auch im Rahmen seiner Präventionsarbeit für die von Desinformation ausgehenden Gefahren. So kommt dem Wirtschaftsschutz als Teil der Spionageabwehr des LfV Hessen eine wichtige Rolle als Ansprechpartner für die hessische Wirtschaft und relevante Institutionen in Hessen zu. Der Wirtschaftsschutz gewährleistet einen direkten, zeitnahen Austausch über neue oder sich verändernde Strukturen und Vorgehensweisen fremder Nachrichtendienste und auch über deren Desinformationskampagnen.

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